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Nördlich des Erfurter Doms erhebt sich auf dem Domberg ein zweiter bedeutender Kirchenbau, die St. Severikirche.
An der Stelle der heutigen Kirche stand eine ältere St.-Pauls-Kirche, von der jedoch bei archäologischen Ausgrabungen im Jahr 1960/61 unmittelbar nördlich der Kirche keine Baureste festgestellt wurden. Somit muss offenbleiben, wann und von wem sie gegründet wurde. Teilweise wird ihre Einrichtung noch auf Bonifatius zurückgeführt. 836 ließ Erzbischof Otgar von Mainz (826-847) die Gebeine des hl. Severus von Ravenna nach Erfurt in das Benediktinerinnenkloster St. Paul, ein altum monasterium, überführen. Im 9. Jh. hatte die Kirche vermutlich zwei Patrozinien: St. Paul und St. Severus. Nach unsicherer Überlieferung wurde 935 an dem Kloster ein Kollegiatstift gegründet.
Danach ist erst 1079/80 wieder von der Severikirche die Rede. Bei der Eroberung der Stadt Erfurt durch Heinrich IV. wurden die Kirchen mit samt den Leuten, die sich in diese geflüchtet hatten, angesteckt. Nach dem Brand riß man die "Hohes Münster" genannte Kirche ab und errichtete sie neu, aber in kleinerer Form an demselben Ort.
1121 wird das Kanonikerstift an der St. Severikirche erstmals urkundlich genannt. Es gab damit auf dem Domberg ein zweites Kollegiatstift neben St. Marien, das wohl ebenfalls schon fast 200 Jahre existierte. Gleichzeitig bestand auf dem mons Severi noch das Nonnenkloster weiter, das wohl die gleiche Kirche benutzte. Als dritte Einrichtung an dieser Stelle hatte Erzbischof Adalbert von Mainz (1109-1137) vor 1123 eine bischöfliche Residenz, das "Krummhaus" östlich der Severikirche, errichten lassen. Als nun der Platz zunehmend knapp wurde, siedelte Adalbert das Benediktinernonnenkloster St. Paul 1123 auf den Cyriaksberg um. 1142 wurden Severikirche und Stift, Bischofsburg und das Peterskloster auf dem Petersberg durch Brand zerstört. Erstere wurden anschließend angeblich bis 1148 neu errichtet oder - weitaus wahrscheinlicher - lediglich repariert.
Der Grundriß der Romanik ist im heutigen Bau noch ablesbar. Es handelte sich um eine dreischiffige Basilika mit zwei Querhäusern und zwei Chören, der Ostchor war - wie auch bei der Peterskirche und St. Marien - von zwei Osttürmen flankiert. Die beiden Chöre setzten offensichtlich ältere Tradition fort, die auch durch das Doppelpatrozinium zum Ausdruck kommen.
1238 ist in einer Ablaßurkunde von einem Plan für einen Neubau die Rede, der dann aber erst in den 1270er Jahren begonnen wurde. Die Quellen beschreiben, dass die Kirche "eine Ruine zu werden droht(e)" bzw. gar tatsächlich eingestürzt sei. Die urkundliche Überlieferung für den Bau ist außerordentlich günstig, da zahlreiche Ablässe gewährt worden sind, die uns über den Baufortschritt berichten. 1308 wurde der neue Hochaltar geweiht, damals waren zumindest die Ostteile, der Chor und das östliche Querhaus, fertiggestellt. 1327 soll das Langhaus, fünf Jahre später die gesamte Kirche weitgehend fertiggestellt gewesen sein. Einige Nachrichten beziehen sich schon wieder auf erste Reparaturen. Mehr oder wenig vollendet war die Kirche wahrscheinlich erst in der Mitte des 14. Jahrhunderts, da in den 1360er Jahren eine ganze Reihe von Altären gestiftet worden sind. Letztendlich erfolgte der Abschluss der Einwölbung erst um 1370. In den 1370er und 80er Jahren kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Kapiteln um die zwischen 1358 und 1863 an der Südseite errichtete eingeschossige, zweijochigen Blasiuskapelle und den Grenzverlauf zwischen beiden Kirchen, die erst 1387 gütlich beigelegt werden konnten. Die Kapelle, die mit ihren Strebepfeilern auf das Gelände der Marienkirche übergriff, sollte umgebaut werden, was noch vor 1429 erfolgte.
Geschaffen wurde ein fünfschiffiges, vierjochiges Langhaus von fast quadratischer Form mit zwei Querschiffen im Osten und Westen. Somit wurde die Grundrissgliederung des romanischen Baus weitgehend beibehalten, möglicherweise sogar die alten Fundamente benutzt. Man fügte jedoch im Norden und Süden ein zweites Seitenschiff an, wodurch die gesamte Kirche die Breite der Querhäuser erhielt, die damit nicht mehr nach Außen hervortraten. Die Gewölbe um aus der Zeit um 1370 scheinen auf ersten Blick gleich hoch zu sein, wodurch der Bau sehr einheitlich wirkt. Hier hat man auf romanischem Grundriss in hochgotischer Zeit einen für diese Zeit äußerst ungewöhnlichen Kirchenbau errichtet, der eigentlich erst viel später, mit den spätgotischer Hallenbauten des 15. Jahrhunderts "Mode" wurde. Die zweijochige und zweigeschossige Marienkapelle an der Nordseite wurde wohl gleichzeitig mit der Kirche und dem Portalvorbau des Hauptportals geschaffen (Maria mit Kind 1360/70).
Eine wesentliche Zäsur in der Geschichte und Baugeschichte der Kirche stellt der verheerende Stadtbrand vom 19. Juni 1472 dar, bei dem auch St. Severi stark betroffen war. Beschädigt oder zerstört waren die Glockentürme, Glocken, Orgeln, die gesamte Bedachung, der Westchor mit Kreuzgang und Teile der Gewölbe. Bis um 1500 wurden die Brandschäden behoben und einige Neubauten wie Sakristei und Kapitelsaal errichtet. Aus dieser Zeit stammen das riesige, das ganze Schiff überdeckende Walmdach (1472/73 d) und die heutige Gestalt des östlichen Abschlusses mit Dreiturmgruppe.
Die im Grundriss quadratischen Chorseitentürme stammen ursprünglich aus hochgotischer Zeit, doch wurden sie bis auf die unteren Geschosse vernichtet und danach neu aufgebaut, wobei sie 1495 ihre heutige Gestalt mit schlanken Turmhelmen erhielten. Der erhöhte Mittelturm mit dem Glockengeschoss wurde wohl ebenfalls erst zu dieser Zeit hinzugefügt, der Spitzhelm ist auf 1494 datiert. Der Westchor wurde zusammen mit den Anschlüssen für den Kreuzgang niedergelegt und an seiner Stelle entstand bis 1495 ein zweigeschossiger Anbau mit Kreuzkapelle.
In veröffentlichten Urkunden wird zweimal, 1317 und 1363, ein Kreuzgang erwähnt, doch wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die gotische Severikirche nie eine voll ausgebildete Klausur besessen hatte. Platz hierfür hätte eigentlich nur an der Nordseite bestanden, doch sind dort nirgends Spuren nachweisbar und es gibt auch keine Hinweise auf den Abbruch eines Kreuzganges oder einer Klausuranlage. Als Kapitelsaal (locus capitularis) diente wohl ein Raum in der Kirche selbst. 1386 tagte das Kapitel nachweislich dort, im folgenden Jahr wird der Ort sogar beschrieben als Raum in den Ostjochen der nördlichen Seitenschiffe unmittelbar westlich des nördlichen Querhausarms. Die Chorherren zogen zum Gottesdienst und den Kapitelsitzungen durch das Hauptportal an der Nordseite ein, als Laienportal diente der heutige Haupteingang im Süden.
Nach dem Brand von 1472 wurde ein ambitus an der Westseite der Kirche und vor der Südwestecke erbaut, vielleicht auch nur ein älterer Zustand ohne tiefgreifende Veränderungen wiederhergestellt. 1485 wurden eine neue Sakristei (1818 abgebrochen) und ein Kapitelsaal an der Nordseite der Kirche errichtet, 10 Jahre später war ein neuer Kreuzgang fertiggestellt.
1633 wurde die Severikirche von schwedischen Truppen besetzt und anschließend den Protestanten übergeben, die den Innenraum durch Abbruch eines Altars und Verlegung der Kanzel veränderten. Schon 1635 wurde die Kirche jedoch den Katholiken zurückgegeben und die Änderungen rückgängig gemacht. In den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts erhielt die Kirche einen neuen barocken Hochaltar.
Wie das Marienstift war auch das Severistift im Zuge der Säkularisierung 1803 aufgehoben und die Kirche 1813 zeitweise als Lazarett genutzt worden. 1834 begann die Restaurierung der Marienkapelle, 1845 die Gesamtinstandsetzung der Severikirche.
Die Ausmalungen aus dieser Zeit wurden 1928/29 schon wieder beseitigt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche kaum in Mitleidenschaft gezogen. In den 1970er und frühen 1980er Jahren erfolgten eine erneute Dachsanierung und eine komplette Innenrestaurierung, der sich 1993-95 die Restaurierung des südwestlichen Kreuzganges anschloss.
836 wurden die Gebeine des hl. Severus durch den Mainzer Erzbischof Otgar von Ravenna zunächst nach Mainz, dann nach Erfurt überführt. Hier waren sie vermutlich im Westteil eines Vorgängerbaues der Kirche beigesetzt und verehrt worden. Mit dem Neubau der Kirche wurde auch eine Neugestaltung des Grabmals notwendig, das weiterhin an zentraler Stelle, vermutlich nahe dem Westchor aufgestellt war. Bei dem Brand 1472 ist der Westchor stark zerstört worden, anschließend hat man das Grabmal zerlegt und die Seitenplatten anderweitig aufgestellt. Die originale Deckplatte wurde nach 1472 als Aufsatz für den Severusaltar im südlichen Querhausarm verwendet. Erst 1948 wurden die Teile wieder zusammengefügt und an dieser Stelle aufgestellt, 1982 kam ein Abguss der Deckplatte hinzu.
Der Sarkophag zählt zu den künstlerisch bedeutendsten Ausstattungstücken der Severikirche. Die vier Reliefplatten der Umfassungswände entstanden zwischen etwa 1360 und 1370. Eine Quelle aus dem Jahr 1363 nennt einen neuen Altar zu Ehren Johannis d. Täufers, Severus’, Hieronymus’ und der Heiligen Drei Könige. Auf den nahezu vollplastischen Hochreliefs werden Szenen aus dem Leben und Wirken des Heiligen Severus und die Anbetung der Heiligen Drei Könige nach einem Vorbild in der Nürnberger Lorenzkirche von 1360 dargestellt. Es wurde auch vermutet, dass die einzelnen Teile erst einige Zeit nach ihrer Entstehung zu einer Tumba vereinigt worden sind und zuvor einzeln oder in anderem Zusammenhang, vielleicht als Teile eines Lettners mit Ambo, im Kirchenraum standen.
Die katholische Bonifatiuskapelle ist ein quadratischer, in Teilen noch romanischer Turm, der ursprünglich vielleicht zur erzbischöflichen Burg gehörte. Möglicherweise schon im 14. Jahrhundert wurde er bei der Einsetzung des Maßwerkfensters an der Westseite zur Kapelle umgebaut. Das Walmdach mit Dachreiter stammt aus dem 17. Jahrhundert.
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